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TdV Aktuell 19.03.2024 - 08:00
 
29.05.2001 Interview mit Martin Berger kurz vor seiner Krolock Premiere















Wo hast du das BeiĂźen geĂĽbt?

Das ist gar nicht so einfach mit den Zähnen – das ist sozusagen learning by doing.

Du tust Dir mit den Zähnen nicht weh?

Nein – ich hatte zuerst andere Zähne, die waren anders – meine Eckzähne liegen ein bisschen weit außen – die Zähne waren länger und da habe ich mich doch ab und zu gepiekst – aber jetzt geht es gut.

Wann wird der Vampir denn wach?

In der Dämmerung – dann geht es richtig los. Ich bin jetzt noch gestärkt, deshalb kann ich auch ein bisschen Licht ab.

Gestärkt??

Ja...vom letzten BeiĂźen

Wie lang hält das denn vor...

Einen Tag. Kommt darauf an – also wenn man der Vampirliteratur glaubt, je nachdem wie viel man gesaugt hat.

Wie lange hast du fĂĽr den Krolock geprobt?

Ich hatte nicht sehr viel Zeit – ich hatte 2 Wochen und 6 Proben auf der Bühne im Kostüm. Ich hatte auch deshalb nicht viel Zeit, weil ich noch in anderen Stücke spiele in St. Gallen und Saarbrücken.

Da bist du aber ein friedlicherer Mensch.

Ja, einmal einen Gefängnisinsassen und einmal einen Jäger – das ist ja eigentlich auch nicht so friedlich – aber zumindest beiße ich nicht.

Hast Du eine Traumrolle?

Im Moment habe ich sie, ja – es werden zum Glück immer wieder neue Stücke geschrieben. Ich habe jede Rolle gerne gespielt. Wenn mich Fans fragen, sage ich auch immer, dass meine Traumrolle die ist, die ich gerade spiele – wenn man da an etwas anderes denke, verliert man den Kopf für die Rolle, die man gerade spielt. Der Valjean war wunderbar auch der Chris - das sind alles Rollen in einer andere Richtung, die einen aber sehr erfüllen. Weil sie alle unterschiedlich angelegt sind und man nicht in eine Schublade gesteckt wird.

Hast Du ein Lieblingsmusical?

Weil ich viel Band gespielt habe, ist es schon Jesus Christ Superstar. Das werde ich mir in Schwäbisch Hall wieder angucken – zumal sehr viele Freunde dabei sind.

Gibt es ein Lieblingslied im TdV?

Das Finale erster Akt und die Gier sind so Szenen, in denen man viel mit der Stimme machen kann – man ist gebunden und kann nicht so viel theatralisch machen – man muss die Stimme einsetzen und das ist das schauspielerisch Interessante dabei! Krolock ist nicht so oft auf der Bühne und wenn er da ist, muss er präsent sein und jedes Wort und jede Farbe muss ausgekostet werden. Das ganze Untote und Tierische, wie die Zähne bis hin zum Verzweifelten, weil man halt ewig lebt. In der Literatur wird das klasse beschrieben, wie bei „Interview mit einem Vampir“ oder dem Original Dracula. Im Nachfolgebuch die Rückkehr des Dracula geht man noch mehr auf die Seiten, die in der Gier beschrieben werden, ein, nämlich dass er wirklich geliebt hat und dass er alles, was er liebt und alles was er anfasst stirbt.

Was kannst du mit den Krolock-Händen denn noch machen?

Eigentlich alles, außer Schuhe anziehen – in die schlüpfe ich rein. Man ist aber schon sehr eingeengt und ich habe eine Kollegin in Saarbrücken, die hat auch so lange Fingernägel, die habe ich auch gefragt: Wie machst Du das, wenn Du z.B. eine Münze aufheben willst – das sind so kleine Tricks mit Kante und Fingernagel, aber es geht ..... nach der Show ist das aber schnell vergessen – Die Zähne sind da etwas gewöhnungsbedürftiger ... man spricht doch anders damit.

Wie lange bleibst du uns denn in Stuttgart als Krolock erhalten?

Das weiß ich nicht ;-) Mein Vertrag läuft mal zunächst bis Ende Juli – das hängt damit zusammen, weil Roman Polanski mich noch absegnen muss und auch der musikalische Leiter Michael Reed – ich hoffe mal, dass sie bald kommen werden und dann sagen können: „Es funktioniert.“

Wie bereitest du dich mental auf die Rolle vor?

Ich versuche mir immer die Bilder aus den Büchern vor Augen zu führen. Mich hat das Interview mit einem Vampir schon sehr fasziniert. Und auch die wahre Geschichte von Vlad Tepes habe ich mir auch sehr umfangreich reingezogen. Das Schöne an dem Schauspiel ist, dass man sich selbst gut kennenlernt – es gibt Seiten, die kannte ich an mir vorher noch nicht.

Warst du erschrocken ĂĽber diese Seiten?

Manchmal erschreckt man – gerade über dieses animalische – man hat so etwas tierisches – beim ersten mal zubeißen machte es richtig spaß.....bis ich dann dachte Moment – Halt!
Man kann schon so einiges über sich erfahren – viele bezahlen dafür ein Heidengeld beim Therapeuten ;-)

Aus welcher beruflichen Ecke kommst Du ursprĂĽnglich?

Angefangen habe ich in einer Band und habe auch selber Musik geschrieben in Österreich auch Mundart - so liedermachermässig – und dann haben 2 Freunde von mir Musical geschrieben – die sind sozusagen Schuld daran, dass ich auf der Bühne stehe. Und die haben gesagt, mach doch was damit – studier' doch das – ich dachte neee...als 25 jähriger ist doch ein bisschen spät.....dann haben sie mich doch solange getriezt bis ich dachte: Okay, ich mache die Aufnahmeprüfung und ich wurde einfach genommen... und dann ging das eigentlich alles sehr schnell.

Ich hab an einer Audition teilgenommen, obwohl ich nicht durfte. Am Konservatorium der Stadt Wien gibt es ein Stipendium, die Ausbildung wird also sozusagen von der Stadt Wien bezahlt und die sehen das natürlich nicht gerne, wenn die Studenten schon Engagements haben, denn da wäre da ja ein Platz frei für jemand anderen.

Aber irgendwie war es doch möglich .... ich hatte mein Engagement bei Jesus Christ Superstar und danach kam dann gleich Kuss der Spinnenfrau. Ich habe die Schule dort zu Ende gemacht und mit „Abzeichnung ausgeschlossen“ .... Gelächter ... äh mit Auszeichnung abgeschlossen.

Wo hast Du denn hier Dein „Hauptquartier“ aufgeschlagen?

Bei Stuttgart - ich bin Filderstädter aus ......Bolande! ich komme vom Land und ich habe genug Städte durchgemacht. Es ist schon wichtig, wenn man den Rummel hat am Abend und mit Leuten zusammen ist und so weiter – ich brauch' dann einfach grün ein bisschen Ruhe und die Vöglein die zwitschern. Ich habe es nicht weit in den Schönbuch und ich liebe es in ihm dort zu wandern, radzufahren und die Alb sowieso: sämtliche Burgruinen erklimmen – es ist einfach schön und auch wichtig sich wieder ein bisschen Gedanken zu machen über die Rollen.

Was hörst du zu Hause für Musik?

Eigentlich alles – alles außer Techno. Wenn eine neue Musical CD rauskommt gehört sie natürlich mir.

Hattest Du schon Pannen beim TdV?

Ja - Beim ersten Auftritt bin ich gleich ins Cape reingetreten und gestolpert und ich warte nur drauf, dass mir irgendwann mal die Zähne rausfliegen... was ich dann mache – da habe ich noch keine Ahnung ;-). Beim ersten Auftritt bevor ich bei „Gott ist Tot“ auf die Bühne komme, stand ich an der Tür in den Zuschauerraum und wollte gerade loslaufen ... da merkte ich dann, dass ich mit dem Cape in der Tür festhänge ..... ist schon ein verdammt komisches Gefühl...

Fans – Fluch oder Segen?

Ich mag Fans schon. Sie sind auch sehr wichtig – für ein Musical. Das Musical hat ja einen undankbaren Stand zwischen Schauspiel und Klassik – es heißt ja, jeder kann Musical machen und irgendwann ist man draufgekommen, da es nicht so ist – weil man doch eine Ausbildung braucht. Fans sind sehr wichtig.

Wie wirkt es für Dich als Schauspieler, wenn Menschen während der Vorstellung rausgehen – hast du das schon erlebt?

Ja klar – auch ich wäre manchmal schon gerne rausgegangen, bin dann aber geblieben, weil ich dachte „ich guck mir das jetzt bis zum Ende an“ – Ich finde es ein bisschen unfair dem Schauspieler oder der Truppe gegenüber einfach zu gehen – vielleicht kommt ja noch etwas was mir gefällt – ich weiß es ja nicht. Ich hab' dann aber auch schon erlebt, dass es nicht so war.

Aber wenn Du auf der Bühne stehst und jemand geht, dann fällst Du nicht aus der Rolle?

Nein – das wäre unfair den anderen gegenüber, die sitzen bleiben. Aber das ist doch jedem sein gutes Recht wenn man sich sagt, ich mag mir das nicht mehr angucken, aufzustehen und zu gehen. Wir hatten das bei Kuss der Spinnenfrau in Wien sehr oft. Da gibt es eine Szene, wo einer der Gefangenen die Hose runterlässt und seinen nackten Hintern zeigt – da sind viele Wiener aufgestanden und gegangen.

In welcher Verfassung bist Du eigentlich jetzt gerade – kurz vor der Premiere?

Ich bin ein bisschen nervös und es ist schon etwas spezielles. Bei mir ist es aber so, dass ich vor Auftritten eher ruhiger werde...es ist dann so, dass mich Leute ansprechen und es eine halbe Minute dauert bis ich antworte – das spielt sich alles eher drinnen ab.

Wie lange brauchst Du um dich zu demaskieren?

Halbe Stunde – aber mir kommt es immer ewig vor....der Adrenalinspiegel ist nach der Show noch richtig hoch...nach einer Stunde fällt dann alles ab und man ist richtig leer.....

Was wĂĽrde Deine Mutter sagen, wenn Sie Dich jetzt so sehen wĂĽrde?

Meine Eltern sind schon sehr stolz – Nur sterben darf ich nicht auf der Bühne – das ist meiner Mutter ganz wichtig.
In Les Miserables bin ich gestorben, das war ja auch alles tragisch – obwohl ich extra eine Vorstellung gewählt habe, wo ich als Valjean drin war, damit sie mich nicht sieht, wie ich auf der Barrikade sterbe als Enjolras. Und nach der Show habe ich gefragt... „ Na, wie war es denn, wie hat es dir gefallen“..... Es kam nur ein knappes „ Ja!“ – und ich sagte „Wie Ja – nun sag doch irgendwas“ .... die Antwort lautete „Du bist schon wieder gestorben“

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