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13.10.2002 Interview mit Maik Klokow (GM Stage Holding)
anlässlich des Probenbeginns bei "DAS PHANTOM DER OPER"




Beim Probenbeginn des neuen Nachbarns der Vampire, hatten wir Gelegenheit mit Maik Klokow, dem General Manager der Stage Holding Deutschland zu sprechen. Etwas mehr als 100 Tage nach dem 01. Juli 2002, an dem auf der Pressekonferenz in Hamburg viele Neuigkeiten verkĂĽndet wurden war es an der Zeit, diese 100 Tage auch einmal aus anderer Sicht zu sehen. Ein Interview, das sicher nicht nur die "Phans" des Mannes mit der Maske interessieren wird.

100 Tage sind vorbei, seit die Stage Holding einige Stella Produktionen übernommen hat – ein Resümee?

Viel anstrengender als gedacht – unglaublich viel Arbeit an allen Ecken und Enden. Eine unglaubliche Einsatzbereitschaft aller, die hier im Theater arbeiten, als auch der anderen Unternehmungen, die daran beteiligt sind – also auch in Hamburg. Ich kenne keinen der nicht mindestens 100 % gibt. Die meisten geben über 100 %. Ich bin sehr überrascht und gleichzeitig auch stolz muss ich ganz ehrlich sagen, dass die Mitarbeiter so mitziehen. Diese freudige Aufbruchstimmung – jetzt können wir es endlich beweisen und können unsere eigene Identität nach außen stellen. Dass da auch Probleme existieren –angefangen von rein technischen wie E-Mail Systemen und ähnlichem, bis hin zu administrativen und zeitlichen Problemen wie Cash Flow Planning, denn überall wird gebaut und bestellt. Das sind aber alles Kleinigkeiten. Am ersten Tag, wenn die Cast im Theater ist, und auf der Probebühne singen sie einen Maskenball oder wie in Berlin den Jellicle Ball, da geht mir das Herz auf. Ich weiß: das Theater lebt wieder – es ist wieder da wo es hingehört. Es ist gefüllt mit Leuten, die daran glauben, ihr Publikum begeistern zu können. Ob sie es immer schaffen, sei dahingestellt, aber sie glauben daran und das macht es so wertvoll und so außergewöhnlich. Das treibt alle. Die schwierigste Zeit kommt jetzt erst. Die letzten 3 Monate der Rennstrecke.

Maskenball gutes Stichwort – Am 01.07.2002 haben Sie auf der Pressekonferenz in Hamburg gesagt „Phantom der Oper ist ein größeres Musical, als es der König der Löwen je werden wird“.

Das glaube ich heute noch – dafür werde ich von meinen Partnern zwar nicht unbedingt geliebt, aber die Disney Theatricals verzeihen mir das! Das Phantom der Oper ist genau wie Der König der Löwen ein Jahrhundertwerk in musikalischer Hinsicht, in der Ausstattung und in der Beliebtheit beim Publikum. Das Phantom der Oper ist viel schneller um die Welt gegangen als der König der Löwen es bisher geschafft hat. Der König der Löwen spielt auch an sieben Orten – das Phantom der Oper hat es in der gleichen Zeit geschafft, an zwölf Orten zu spielen. So viele Leute haben sich gesagt: „Das müssen wir sehen !“. Das ist sehr außergewöhnlich und ich glaube, dass diese Erfolgsgeschichte einfach einmalig ist. Stuttgart ist ein international renommierter Musicalstandort, deswegen war uns auch daran gelegen, diese Entscheidung, das Phantom hierher zu bringen, die ja damals in der Stella getroffen wurde, auch Weiterzutreiben, weil auch wir glauben, dass es eine richtige Entscheidung ist, nur erstklassige Produktionen hierher zu bringen und keine dritte und vierte Garnison oder gar eine vom Band. Hier gibt es ein großes, originales 23-köpfiges Orchester mit Streichern, Holz- und Blechbläsern, es gibt eine große Cast. Und ich glaube, nur wenn man versucht, diesen Qualitätsanspruch hier in Stuttgart durchzusetzen, nur dann fühlen sich die Stuttgarter als auch die Gäste von außerhalb angeregt, hier herzukommen.

Palladium und Apollo die neuen Namen für die Theater – weshalb?

Ich glaube, dass jedes Theater eine eigene Identität braucht. Auch die Produktion braucht diese Identität. Wir sind nicht Nummer zwei oder Nummer eins, Stuttgart links oder Stuttgart rechts, Möhringer oder Plieninger Seite – nein! Es ist das Palladium Theater, in dem das Phantom aufgeführt wird, und es gibt das Apollo Theater, in dem Tanz der Vampire aufgeführt wird. Und diese Theater bleiben – egal, ob es neue Produktionen gibt. Das Phantom geht irgendwann, Tanz der Vampire geht irgendwann - aber das Palladium und das Apollo bleiben! Das muss als Synonym eines solitären dastehenden Charakters entstehen, damit die Zuschauer sich an diesem Haus festhalten, an dieses Haus auch glauben und mit diesem Haus auch lange lange leben.

Kurz auf die andere Straßenseite – Tanz der Vampire! Ihr Zitat vom 01.07.2002: „Wir müssen sehr viel Vertrauensarbeit leisten, denn das Vertrauen ist nicht mehr da durch die STELLA Insolvenz“. Ich habe das Gefühl, das Vertrauen kehrt langsam zurück, wenn man die Besucherzahlen anschaut?

Das ist ein ganz langer Prozess – Vertrauen muss wachsen und wachsen heißt Zeit. Wir haben erst 100 Tage hinter uns, und wir haben sicher unter Beweis gestellt, dass wir seriös an die Sache herangehen und nicht halbherzig. Finanziell, organisatorisch, in Managementkapazitäten, in den Kampagnen kann man sehen, dass wir versuchen deutlich zu machen, dass ein neues Zeitalter begonnen hat. Ein Zeitalter der Auseinandersetzung mit den Produktionen, mit den Inhalten und nicht über Börsenkurse, Immobilienfondsspekulationen oder Mietvertragsverhandlungen. Das ist Background und interessiert auch das Publikum nicht wirklich. Das Publikum ist für uns deswegen so entscheidend auf die Produktion zu fokussieren, weil wir glauben, dass nur diese Inhalte uns mit dem Publikum verbinden – sonst gar nichts. Das Publikum ist nicht daran interessiert, ob ich Maik Klokow bin und General Manager – das interessiert die relativ wenig. Das Publikum interessiert nur: Was wird gespielt im Palladium, und was wird gespielt im Apollo Theater. Wir haben auch heute in der Pressekonferenz versucht, das wirklich deutlich zu machen – nämlich nicht, zu sagen: „ja – wir machen hier ein Kinderschminken – gucken Sie mal, toll ist das, und das werden die neuen Masken !" - wenn man von einem internationalen Musicalstandort spricht, zu dem ich Stuttgart zähle, dann muss man vor allem die Qualität der Produktion in der Kommunikation und in der Präsentation darstellen. Das ist für uns ganz wichtig.
Vertrauen wird sich nicht innerhalb der ersten 100 Tagen aufbauen lassen, sondern es wird noch mindestens ein Jahr dauern. Und zwar so lange, bis wir den Wechsel einer nächsten Produktion beim Tanz der Vampire hinter uns gebracht haben. Entscheidend ist hierbei: wie wird eine Produktion geschlossen, wird das vernünftig, kontrolliert und mit dem richtigen Budget gemacht, und ohne das Stück austropfen und austrocknen zu lassen, und an welchem Punkt wird entschieden, das Stück zu schließen – nämlich an einem Punkt, an dem deutlich wird, dass die Nachfrage es nicht mehr erforderlich macht, Tanz der Vampire im Apollo Theater aufzuführen. Und dann entscheiden wir für die nächste Theatersaison: „Okay, wir wechseln“, und geben dies bekannt. Das ist ein geplanter Übergang, ein ganz normaler Vorgang. Deswegen gibt es auch keine Verkündung mehr von „wir spielen 7, 8, 9 oder 12 Jahre“. Bei uns gibt es immer eine Theatersaison, die geht von Juli des einen bis August des nächsten Jahres. Die nächste Theatersaison (also ab Juli 2003) wird im Oktober diesen Jahres verkündet. Dann weiss man, was in 2003 / 2004 im Apollo und Palladium gespielt wird. Und ob Tanz der Vampire oder Phantom der Oper dabei ist, werden wir dann sehen. Ich glaube nicht, dass wir alle Shows noch hier sehen werden.

Bei Phantom erinnere ich mich wieder an den 01.07.2002. Ihr Zitat: „Phantom der Oper wird eine reelle Laufzeit von mehr als 3 Jahren in Stuttgart haben“

Das würde ich heute nicht noch einmal so wiederholen. Ich glaube an die Vergänglichkeit von Stücken. Daran müssen wir uns gewöhnen. Wenn ich sagen würde: wir glauben, es spielt 3 Jahre und dann spielt es nur 2,5 würden alle sagen: „Oh Gott – das ist nicht erfolgreich gewesen“! Das ist die falsche Herangehensweise – das müssen die Menschen wirklich verstehen. Wie in allen kreativen Bereichen, in denen produziert wird – ob Film, Musikbranche, im Konzertbusiness oder im Theatergeschäft – ein Stück muss sich amortisieren, und dann war es erfolgreich. Es gibt viele Stücke weltweit, die amortisieren sich gar nicht sondern machen einfach Verluste. Wenn sich das Stück amortisiert hat, und wir dann genau aufpassen, was mit dem Publikumszuspruch passiert, können wir den richtigen Moment finden, eine Show abzusetzen und zu schließen. Dieses Können hat mit Gefühl zu tun – das kann man nicht studieren. Man kann anhand von Zahlen natürlich interpretieren, aber auch anhand von Stimmungen in der Bevölkerung in den Medien. Wir können nicht alleine erfolgreich sein – wir brauchen auch die Bevölkerung, wir brauchen auch die Medien. Wir müssen viel erklären, was ist dieses Geschäft wirklich, damit dort nicht ein Rest von Misstrauen bleibt, sondern die Menschen verstehen, dass dies eine ganz offene Geschichte ist. Wenn ein Stück nicht erfolgreich ist, machen wir es zu und bringen ein neues, und ich liebe es, das zu tun – nicht die Stücke zuzumachen - aber neu zu produzieren. Wenn ein Stück nicht erfolgreich ist, dann hat es nicht verdient, auf der Bühne zu sein. Dann muss das nächste Stück kommen. Solange, bis ein erfolgreiches auf der Bühne ist. Das ist es, was uns so different macht von allem, was vorher war, dass wir genau wissen, wovon wir da reden. Und deswegen ist uns Stuttgart wichtig, deswegen ist die Stage Holding hier.


Maik Klokow - vielen Dank fĂĽr die offenen Worte und wir wĂĽnschen uns viele Jahre mit dem Mann, der sein Gesicht hinter dieser Maske verbergen muss.
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